Kognitive Flexibilität
Dieser Bericht beschäftigt sich mit der Frage nach der kognitiven Flexibilität von Menschen. Insbesondere wird die Frage nach dem Kontrollmechanismus, der den intentionalen kognitiven Prozessen unterliegt, gestellt. Ähnliche Aspekte werden auch beim Thema Automatische Informationsverarbeitung dargestellt. Wie können die hochintegrativen Leistungen des Menschen erklärt werden, die parallel zueinander komplexe motorische Programme und höhere kogntive Leistungen problemlos leisten? Man denke an das praktische Beispiels des Autofahrers, welcher während er seinen Wagen steuert, eine Zigarette raucht, den Sender einstellt und sich Gedanken zu seinen Plänen am Nachmittag macht! Ein Überblick über die Literatur zum Thema zeigt, daß die Frage nach dem Kontrollmechanismus der kognitiven Steuerung noch weitgehend zur Diskussion steht. Bis in die jüngste Zeit wurde die Frage nach der Kontrolle, der im einzelnen detailliert untersuchten kognitiven Leistungen, nicht berücksichtigt. Wie wichtig die Kenntnis über solch einen Mechanismus ist, wird vor Augen geführt, wenn man die Anforderungen, die intelligenten Systeme erfüllen müssen, betrachtet. Kognitive Prozesse müssen beispielsweise ihre Arbeit gegenüber äußeren Einflüssen abschirmen, Fehler erkennen, den kognitiven Prozeß unterbrechen und parallel motorische und höhere kognitive Arbeit leisten können. Ältere Forschung, die sich mit Aufmerksamkeit beschäftigt, geht von einer zentralen Kontrollinstanz aus. Diese Kontrollinstanz ist kapazitätsbegrenzt und wirkt selektiv auf sensorische Prozesse ein. Während diese Arbeiten der Suche nach dem „Flaschenhals“ im informationsverarbeitenden System mehr von seriellen Vorgängen und vom sensorischen Input ausgehen, zielt die neuere Forschung darauf ab, neue Konzepte der Organisation und Kontrolle von menschlichem Verhalten zu konzipieren. In den Vordergrund rücken nun Fragen nach Setzung der Prioritäten, Planung, Organisation und Flexibilität von höheren kognitiven Prozessen. Aber schon in den siebziger Jahren kamen erste Paradigmen auf , die in die Richtung des heutigen Interesses zielten. Shiffrin & Schneider (1977; zitiert nach Kluwe 1997) konzipierten ein Modell, welches automatische gegenüber kontrollierte Informationsverarbeitung stellte. Ihre experimentellen Studien konnten ihre Thesen belegen. Ihr Modell unterschied zwar zwischen automatischen, unbewußten und kontrollierten, bewußten Informationsverarbeitungen, jedoch blieb ungeklärt, welche Mechanismen den beiden Systemen unterliegen. Ein weiterer Schritt zur Erforschung intentionaler Kontrolle leistete Baddeley (1986, 1992 a, b; zitiert nach Kluwe 1997). Sein Konzept des Arbeitsgedächtnis wechselte die bis dahin aktuelle Vorstellung eines Kurzzeitspeichers ab. Dieses Modell geht von einer artikulatorischen und einem parallel dazu arbeitenden „visuo-spatial sketchpad“ aus. Diese älteren Modelle beschrieben bei weitem nicht genau genug wie die Kontrollinstanz bzw. Schleifen- Inhalte moduliert werden. Wie neuere Modelle nun die Steuerung kognitiver Aktivität darstellen wird im folgenden beschrieben. Was muß ein intelligentes kognitives System aktiv beeinflussen können? Intentionale Steuerung kognitiver Aktivität muß angenommen werden bei: -Planung und Entscheidung -Korrektur von Fehlern -neuen Aktionssequenzen -Überwindung habitueller Tendenzen -Unterdrückung von Distraktoren Werfen wir einen Blick auf eine neuere Konzeption der Steuerung kognitiver Aktivität. Shallice (1992; zitiert nach Kluwe 1997) beschreibt die Informationsverarbeitung folgendermaßen: Es wird eine große Menge von autonomen Verarbeitungssystemen angenommen. Ferner auch eine große Menge von Handlungs- und Denkschemata. Schemata für höhere kognitive Leistungen und Schemata für motorische Programme können parallel verfügbar sein. Es wird eine Systemkomponente angenommen, die den routinemäßigen Ablauf dieser Komponenten in stark überlernten Alltagssituationen garantiert. In Anlehnung an physiologische Prinzipien schaltet diese Komponente konkurrierende Intentionen mittels lateraler Hemmung aus. So wird die ungestörte Fortführung der kognitiven Aktion garantiert. Es wird weiterhin eine zentrale Exekutive angenommen, die modulierend auf die unteren Instanzen Einfluß nimmt. In den weitaus meisten kognitiven Aktivitäten greift diese oberste Instanz aber nicht ein, sondern überläßt untergeordneten Steuerungs- und Verarbeitungssystemen diese Arbeit. Nur wenn eine Zielkorrektur erfolgen muß, greift es ein „… the executive component does not actually solve the problem, it does not dirty it`s hands itself.“ (Reitmann 1969; zitiert nach Kluwe 1997). Wir sehen, in den neueren Modellen weicht die Annahme einer zentralen Instanz mit begrenzter Kapazität, der Annahme einer zentralen Instanz, die sich vieler verschiedener einzelner Verarbeitungs- und Ausführmodulen bedienen kann, vielmehr von ihnen die Arbeit erledigen läßt. Die Prozesse der peripheren Instanzen sind sehr schnell und laufen unbewußt ab. Dem übergeordnet steht das verhältnismäßig langsame und bewußte kontrollierte willentliche Modul, welches dem bewußten Erleben, Planen etc. zugänglich ist. Es wird angenommen, daß diese übergeordnete kontrollierende Instanz als autonome Komponente die kognitiven Abläufe überwacht und notfalls moduliert. Einer Konzeption der Kontrollinstanz, wie Baddely sie postuliert, die einheitlich, kapazitätsbegrenzt und vor allem durch interne Stimuli „getriggert“ ist, steht die Neukonzeption von Allport entgegen. Die kognitive Steuerung findet hier durch eine verteilte Kontrolle mit vorwiegend durch äußerliche Stimuli getriggerten, weiteren Kapazitätsgrenzen und autonom wirkenden Komponenten statt (Allport, Styles & Hsieh 1994; zitiert nach Kluwe 1997).
experimentelle Methode: Einstellungswechsel
Allports Modellierung wird durch experimentelle Analysen gestützt. In den Untersuchungen zum „Task set shift“ findet sich methodisch ein guter Zugang zum Thema. Hier wird die intentionale Steuerung der Einstellung auf wechselnde kognitive Anforderungen untersucht. Es werden zwei verschiedene Aufgabenabfolgen gestellt. Zum einen eine homogene Liste von Aufgabenfolgen, die stets die gleichen Aufgaben bleiben. Zum anderen alternierende Aufgabenlisten, so daß sich ständig Aufgaben des Typs A-B-A-B abwechseln. Die Aufgaben des Typs A und des Typs B können sich hinsichtlich der Schwierigkeit, der kognitiven Anforderung unterscheiden. In den alternierenden Durchgängen wird nun angenommen, daß höhere Bearbeitungszeiten sich durch den Steuerungsaufwand der Kontrollkomponente von einem Aufgabentyp zum anderen erklären läßt. Durch Differenzbildung der Bearbeitungszeiten der homogenen von den alternierenden Aufgabenreihen erhält man die „shift costs“. Rogers & Monsell (1995; zitiert nach Kluwe 1997) schlagen eine modifizierte Methode zur Erfassung von Wechselkosten vor. In „alternate runs“ wird eine Aufgabenfolge A-A-B-B-A-A-B-B … gewählt. Es werden die Alternationsaufgaben mit den Repititionsaufgaben verglichen. Diese Vorgehensweise bedeutet, daß alternierende und wiederholende Bedingungen in einem Durchgang erfaßt werden können. Durch Differenzbildung der Alternationsdurchgänge von den Repititionsdurchgängen lassen sich die genauen Kosten des Einstellungswechsel erkennen Eine weitere Möglichkeit bieten unvorhersagbare Folgen wie sie Meiran (1996; zitiert nach Kluwe 1997) anwendet. Hierbei handelt es sich um unvorhersagbaren Folgen von Reizen. Im Gegensatz dazu ist die Rogers & Monsell Version bezüglich der Reize vorhersagbar. Bei vorhersagbaren Reizen ist es möglich sich auf die Folgen einzustellen. Bei unvorhersagbaren Reizen werden die Reizfolgen zufällig präsentiert. Das heißt es muß jedesmal mal mit beiden Aufgaben gerechnet werden, was zusätzliche Kontroll- und Steuerungsmechanismen bedeuten kann. Nachdem wir eine experimentelle Methode zur Untersuchung von kognitiver Flexibilität kennengelernt haben, was würden die einzelnen theoretischen Konzeptionen der intentionalen Kontroll- und Steuerungsinstanz experimentell vorhersagen? Nach Baddeleys Auffassung ist die Kontrollinstanz eine einheitliche, intern getriggerte Instanz. Dies würde, bezüglich des Paradigmas bedeuten, daß die Wechselkosten (die unbestreitbar entstehen) von einer einfachen zu einer schwereren Aufgabe höher ausfallen würden als umgekehrt. Das einheitliche Modul müßte intern Mechanismen aktivieren, die zur Lösung der Aufgabe notwendig sind. Bei der schwereren Aufgabe sind es zweifelsohne mehr Ressourcen, die angesteuert werden müßten, so erhöhen sich die Wechselkosten. Nach Allports Auffassung ist die Kontrollinstanz eine autonome durch externe Stimuli getriggerte Instanz. So kann der Einstellungswechsel auf die andere Aufgabe erst bei Auftreten der externen Stimuli einsetzen. Die Aktivation der neuen kognitiven Anforderungen laufen nun in autonomen Prozessen ab. So heißt das, daß der Wechsel von einer schwereren zu einer einfacheren Aufgabe, durch die erst durchzuführende Loslösung von der alten Aufgabe („active disengagement“) verzögerter abläuft als beim Wechsel von der einfachen auf die schwierige Aufgabe.