Heinz-Peter Röhr – Die Angst vor Zurückweisung – Hysterie verstehen – Walter-Verlag – Rezension
“Die Angst vor Zurückweisung. Hysterie verstehen.”, von dem Autor Heinz-Peter Röhr im Walter Verlag. ISBN-3-530-40188-9 Patmos Verlag. Aus dem Impressum ist nicht ersichtlich, die wievielte Auflage dies ist, nur das Jahr 2006 ist angegeben.
Schon der Sub-Titel polarisiert bei diesem mit unglaublich vielen Erfahrungen des Autors gespickten Buch: „Hysterie verstehen“ – spontan frägt man sich, ob die Verwendung des Wortes „Hysterie“ noch zeitgemäß ist.
Die Antwort lautet ja, denn der Autor erklärt detailliert, weshalb er diese Bezeichnung wählte und nicht z. B. Dissoziation. Interessant und mutig, wie ich finde.
Schnell wird klar, dass das Buch für den Leserkreis “interessierte Menschen” gedacht ist, daher vermutlich weniger für Fachleute. Das mindert jedoch keineswegs die faszinierende Detailtreue, mit der der Autor aus seinem schier unerschöpflichen Erfahrungsschatz mit „hysterischen“ Personen berichtet. Durch die einfachere Sprache ist es möglich das Buch sozusagen in einem Schwung durchzulesen. Möchte man die Themen weiter vertiefen, so sind lobenswerter Weise sehr viele Quellen- und Lektürehinweise im Anhang bereitgestellt.
Die hier gewählte einfache Sprache passt zur Zielgruppe: leicht, fast beschwingt ist dieses Buch geschrieben, auch wenn es sich im Kern um ein ernstes Thema handelt, dass wohl durchaus den einen oder anderen von uns sehr persönlich betrifft.
Über Märchen zutiefst menschliche Wesenszüge, gar Neurosen begreifbar zu machen, ist ein bekannter und gut gewählter Weg. Dass man jedoch aus einem so spröden und scheinbar so einfachen Märchen so viel herausholen kann – Chapeau, Herr Röhr!
Die anfangs etwas kurz geratenen Praxisbeispiele (z. B. Seite 33-34) werden im weiteren Verlauf der Lektüre länger, intensiver und greifbarer. Auf Grund der prosahaften Erzählweise, vermisst man an einigen Stellen wissenschaftliche Exaktheit. Andererseits erwähnt der Autor nicht nur Symptome wie „Körperdysmorphe Störungen“ (Seite 57), sondern erlaubt sich auch durchaus kritische Sichten auf die davon Profitierenden, wie Schönheitschirurgen und andere: „Mangelndes Selbstwertgefühl ist nicht operabel“.
Die immer detailreicheren Fallbeispiele mit ausführlichen Schilderungen, sind hervorragend geeignet, sich in die Denkmuster „hysterischer“ Personen einzufühlen. Damit wird nachvollziehbar, wie das Denken und die Überzeugungen eines solchen Menschen sind. Die sehr detaillierten Schilderungen wechseln sich immer wieder ab mit konkreten Fallbeispielen aus dem Erfahrungsschatz des Autors. „Ich werde es den Männern schon zeigen“ – Seite 84, und die folgenden Seiten „Die Rolle des Partners“ beschreiben äußerst plastisch, wie das Umfeld meist hilflos mit hineingezogen wird, in diese oftmals hochdramatische Erkrankung.
Dass fehlende Krankheitseinsicht und enorme Auswirkungen in der Sexualität zu erwarten sind, wird genauso beschrieben, wie die meist aussichtlose Partnerschaft mit einem von Hysterie betroffenen Menschen.
Das Buch macht Menschen, die mit Hysterie bisher wenig zu tun hatten, zumindest ob der Intensität dieser Erkrankung, betroffen. Wer jedoch konkret mit einem hysterischen Menschen zu tun hat, wird sich -hoffentlich- der Dramatik und der Behandlungsbedürftigkeit dieser Erkrankung bewusst.
Lesenswert für alle Interessierten und für direkt und indirekt Betroffene vermutlich sehr aufschlußreich und unterstützend.